In der Klosterkirche in Neuruppin steht noch die Bildsäule vom Pater Wichmann, einem der alten „Grafen von Lindow und Herr zu Wildberg und Ruppin“. Er soll das Kloster hier gegründet haben und sein erster Prior ( Klostervorsteher ) gewesen sein, und er soll auch die Gabe gehabt haben, Wunderwerke zu tun, wovon in alten Schriften namentlich eine Begebenheit erzählt wird:
Einstmal, heißt es, hatte er jenseits des Ruppiner Sees im Namen seines Klosters , das ja unmittelbar an diesem See gelegen hat, etwas zu verrichten. Als er nun sehr hunderte und er bei gegebenen Zeichen der Eßglocke vor großer Mattigkeit den weiten Weg um den See herum nach der Stadt nicht wieder gehen konnte, sprach er zu seinem Gefährten: „ Mein Sohn, folge mir getroßt!“, machte darauf ein Kreuz vor sich und ging geradewegs über das Wasser ins Kloster. Sein Gefährte aber getraute sich nicht, in seine Fußstapfen zu treten, ging um den See herum und kam erst eine gute Stunde nach dem Pater nach Hause.
Einmal ist ein Bauer hinter hergegangen. Wo Pater Wichmann austrat, da trat der Bauer ein. Zuerst tat der Pater Wichmann, als sähe er es nicht. Als sie aber mitten auf dem See waren, drehte er sich um, drohte dem Bauer mit dem Finger und sagte: „Wie kannst du dich unterstehen, mir nachzugehen? Diesmal will ich dich noch mit hinübernehmen, aber versuche es nie wieder!“ Nach anderen Erzählern ist es sein Küster gewesen. Unterwegs tat Pater Wichmann, als sähe er es nicht. Drüben angekommen, sagte er ihm aber, er solle sich nicht noch einmal in solche Gefahr durch sein Vorwitz treiben lassen, denn er würde ohne alle Hilfe ertrunken sein, falls er sich zufällig dabei umgesehen hätte. Der Küster ärgerte sich aber, dass er immer um den See herumgehen müsste, wärend der Pater es so bequem habe. Er dachtenbei sich, der Pater gönne ihm solche Macht nicht. Er wollte einmal versuchen und sich umdrehen, während er in der Paters Fußstapfen trete, Er wurde aber für seinen Ungehorsam bestraft, denn als er nach Ruppin zurückblickte, versank er, bevor er um Hilfe rufen konnte.
Der Ruf der Wundertaten ging auch über die Mark hinaus. So schrieb K. Lücke ( Sonntagsbeilage zur Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 27.Dezember 1885 ) über eine Legende, die sich an ein Bild geknüpft habe, das noch im 18. Jahrhundert im Dominikanerkloster zu Köln am Rhein zu sehen gewesen sei: „ Es stellte einen Koch des Klosters Neuruppin da, welcher in der Hand einen großen Wels hielt und hatte die Unterschrift: Frater Nicolaus de Ruppin. Die Legende aber lautete, der Koch des Klosters, Nicolaus mit Namen, habe einst, als noch am Abend viele fremde Klosterbrüder nach Ruppin gekommen waren, dem Pater Wichmann geklagt, der Speisevorrat reiche nicht aus. Da habe jener ihm befohlen, er solle nur durch das Pförtchen, das von dem Klostergange zum See hinausführe, gehen und im Namen des Priors den Fisch befehlen, dass einer von ihnen herkäme, um sogleich den angekommenen Gästen als Sättigung zu dienen. Der Koch habe getan, wie ihm geheißen, und so sei ein großer Wels zu ihm ans Ufer geschwommen gekommen, welchen er mit mit den Händen ergriffen und in die Küche getragen habe, wo derselbe dann zubereitet worden sei.“
Nach einigen soll es auch nicht ein Riese, sonder Pater Wichmann gewesen sein, der einen Damm durch den Ruppiner See hat bauen wollen, der die Grafschaft der Länge nach durchschneidet und in zwei Teile teil. An zwei Stellen er an der der Stadt gegenüberliegenden Seiten angefangen, den See zuzudämmen, einmal, wo sich beim Fährhahn ( am Fährhause ) eine Spitze gerade der Klosterkirche gegenüber ins Wasser hineinzieht, und dann bei der Ziegelei zwischen Gnewikow und Karve, einer Stelle, die man noch „die scharfe Ecke“ nennt. Beide Male ist ihm aber das Schürzenband abgerissen, als er Erde in seine Schürze herbeitrug. An der „scharfen Ecke“ sieht man es noch deutlich, wie die Sandbank sich ins Wasser hineinzieht; da ist es auch so manchem Schiff schlecht ergangen, wenn die Schiffer dies nicht bedachten und zu dicht ans Land gehalten haben.
Vor seinem Tode hat übrigens Pater Wichmann bestimmt, dass er in einem gläsernen Sarg gebettet und dieser noch in einen silbernen gesetzt werden solle. Ferner solle auf sein Grab eine Linde gepflanzt werden, und wenn die Linde vergangen sei, dann könne man sein Grab öffnen, aber nicht eher. Die Linde hinter der Klosterkirche, unmittelbar an der nach dem Brand von 1787 errichteten Stadtmauer auf dem ehemaligen Klosterkirchhof, wird von vielen als diejenige bezeichnet, unter der Pater Wichmann begraben liegt. Alle Neujahrsnacht zwischen zwölf un ein Uhr kommt er noch in einer Kutsche, die mit zwei schneeweißen Pferden ohne Köpfe bespannt ist, die Klosterstraße entlang zur Kirche, um nachzusehen, ob seine Anordnung in Hinblick auf die Linde auch aufrechterhalten werden. Mehrere Leute aus der Klosterstraße behaupten, das Rollen der Räder gehört zu haben, nicht aber den Hufschlag der Schimmel. Sonntagskinder können auch die Kutsche und die Pferde sehen.
Von Pater Wichmann erzählt eine alte Frau noch folgende Geschichte: „Zur Franzosenzeit, ich war freilich noch ein ganz kleines Kind, habe es aber oft vom Vater und Mutter gehört, wurde die Klosterkirche als Magazin benutzt, das stets ein Mann aus der Stadt Tag und Nacht bewachen musste. Dafür bekam er einen Taler. Dabei ist es einem Wächter einmal ganz merkwürdig ergangen: Als er so in Gedanken versunken dastand, es war gerade um Mitternacht , hörte er auf einmal die Orgel gehen. Die Kirche war plötzlich ganz hell, und vor dem Altare stand Pater Wichmann und reichte gerade zwölf Jungfrauen das Heilige Abendmahl. Als das vorüber war, schwieg die Orgel, und Licht und Jungfrauen und Pater waren ebenso plötzlich wieder verschwunden, wie sie erschienen waren. Eine Stimme aber bedrohte den Mann, er solle von dem, was er gesehen habe, ja nichts erzählen, sonst würde es ihm schlecht ergehen. Der aber konnte seinen Mund nicht halten, und da hat es ihn in denn Tag und Nacht keine Ruhe gelassen, bis er vor aller Angst und Aufregung kurze Zeit darauf starb.“
Quelle: Haase, Karl Eduard: Sagen aus der Grafschaft Ruppin und Umgebung, 1. Teil: Sagen. Neuruppin 1887